Georg Friedrich Haas

Capell-Compositeur 2023/2024

Es gibt wahrscheinlich kein Vorurteil über zeitgenössische Musik, das sich hartnäckiger hält als dieses: dass kompositorische Innovation nun einmal nicht mit Klangschönheit und emotionaler Intensität zusammengehe. Das Schaffen von Georg Friedrich Haas, dem Capell-Compositeur der Jubiläumssaison 2023/2024, erbringt unermüdlich den Gegenbeweis: eine Musik, die nicht trotz, sondern gerade durch ihre ungewohnten Klänge und Verfahren sinnlich berührt und fesselt.

Einen Namen gemacht hat sich der 1953 in Graz geborene Komponist in den 1990er-Jahren zunächst durch die systematische Arbeit mit Mikrotönen, also solchen Intervallen, die kleiner sind als ein Halbton und sich deshalb auf dem Klavier nicht mehr darstellen lassen. Doch weder damals noch heute lässt sich Haas’ Komponieren auf das Schlagwort der Mikrotonalität reduzieren. Nicht nur, dass viele seiner Werke ganz auf mikrotonale Elemente verzichten; reingestimmte Intervalle, Viertel- und Sechsteltöne sind ihm kein Selbstzweck, kein Beitrag zu einem kompositionstechnischen Überbietungswettbewerb, sondern ein Mittel zum Ausdruck. So atmen etwa die irisierenden Obertonakkorde, die im einstündigen Ensemblewerk »in vain« allmählich aus wirbelnden chromatischen Klangflächen hervortreten, eine suggestive, gleichsam utopische Kraft. Sie teilt sich im Hören unmittelbar mit – und wird noch dadurch verstärkt, dass Teile des Werks in absoluter Dunkelheit zu spielen sind.

Die Expressivität und Sinnlichkeit, die seine Musik aus dem Innenleben der Klänge schöpft, hat Georg Friedrich Haas zu einem der wichtigsten Komponisten der Gegenwart werden lassen: Sein Werkkatalog umfasst etliche Kompositionsaufträge von führenden Klangkörpern und zählt unter anderem acht Bühnenwerke, zahlreiche Orchester- und Ensemblestücke und allein elf Streichquartette. Große Erfolge feierte der Komponist beispielsweise mit Opern wie »Morgen und Abend« nach einem Libretto von Jan Fosse oder dem 2010 entstandenen Werk »limited approximations« für sechs im Zwölfteltonabstand gestimmte Klaviere und Orchester. Für seine bahnbrechenden Kompositionen wurde Georg Friedrich Haas mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Musik und dem Musikpreis Salzburg. Seit 2013 unterrichtet er als Kompositionsprofessor an der Columbia University in New York. 2022 erschien seine Autobiografie »Durch vergiftete Zeiten«.

Zur Jubiläumssaison der Sächsischen Staatskapelle wird Georg Friedrich Haas gleich zwei Uraufführungen beisteuern: Im 2. Kammerabend erklingt ein neues Werk für Bassklarinette, Violoncello und Schlagzeug; im 9. Symphoniekonzert wird Susanna Mälkki, die bereits die Uraufführung von Haas’ »concerto grosso« Nr. 1 für vier Alphörner und Orchester leitete, in ihrem Debüt bei der Staatskapelle ein neues Orchesterwerk des Capell-Compositeurs aus der Taufe heben. Mit dem Ensemblestück »in vain« präsentiert die Staatskapelle in einem Sonderkonzert im Festspielhaus Hellerau zudem eines der erfolgreichsten musikalischen Werke des 21. Jahrhunderts.